Heike Grimm mit 20-jähriger "Jeannie"

Alzey (as) – Das große Feuerwerk, das seit 2020 einmal wieder zur Freude zahlreicher Besucher anläßlich des 85. Winzerfests gezündet wurde, hat leider nicht jedem gefallen.
Die Betreiberin des Reiterhofs auf dem Heimersheimer Berg (Kalkofen) Heike Grimm, ging nicht von großen Beinträchtigungen am besagten Montag 23.09.2024 aus, zumal auf der Webseite: https://www.winzerfest-alzey.de/wf/faq-haeufige-fragen/#anchor_96dd7dcf_Accordion-Gibt-es-ein-Feuerwerk stand, dass in diesem Jahr kein Feuerwerk geboten wird.
(Dieser Punkt wurde nun offensichtlich von der Seite gelöscht – Stand 26.09.2024 – 08.15 Uhr).

Kein Feuerwerk, lt. FAQ winzerfest-alzey.de (Stand: 24.09.2024 – 10.00Uhr)

Nicht schlecht gestaunt habe sie am besagten Tag jedoch, als gegen 17.00 Uhr, auf dem Zufahrtsweg zu ihren Stallungen, ein Feuerwerk aufgebaut wurde.
“Das letzte Feuerwerk wurde hier vor 10 Jahren abgebrannt, schon damals schreckten die Pferde unheimlich auf und gerieten in Panik – wir haben damals mit der Stadt gesprochen und man hat uns zugesichert, dass an dieser Stelle kein Feuerwerk mehr abgebrannt wird.” so die Betreiberin.

Man habe direkt den Feuerwerker angesprochen, dieser hat daraufhin Herrn Steffen Ferdinand, Leiter FB3, Sicherheit und Ordnung der Stadt Alzey hinzu gezogen. Nach einer telefonischen Rücksprache mit dem Stadtbürgermeister Steffen Jung schlug man vor, die Pferde für diese Zeit an einen anderen Ort zu transportieren. Auch eine Kostenübernahme hierfür wurde seitens der Stadt in Aussicht gestellt.
“Dies wäre in der Kürze der Zeit undenkbar zu realisieren gewesen” erklärte die Stallbetreiberin und entschied sich daher in der Zeit mit Ihrer Tochter bei den Pferden zu bleiben.

Marktmeister wusste nichts von Absprache und Pferdestallung am Kalkofen

“Diese Absprache war dem aktuellen Marktmeister nicht bekannt. Die Entscheidung, das Feuerwerk von der besagten Stelle abzufeuern, wurde nach gemeinsamer Rücksprache und Vorortbesichtigung mit dem beauftragten Dienstleister aufgrund der guten Lage getroffen. Dass in der Nähe ein Pferdebetrieb ansässig ist, war sowohl dem Marktmeister als auch dem Feuerwerker nicht bekannt und da vom Abschussort durch eine Baumreihe verdeckt, für die Beteiligten auch nicht ersichtlich.” schreibt uns Pressesprecher Pascal Schmitt auf Anfrage.
Dass es überhaupt eine Absprache gab, sei zudem nicht dokumentiert gewesen.

Rund 200m hinter der Abschusstelle liegt die Pferdestallung (an der Baumreihe)

Schausteller waren gemeinsam für ein Feuerwerk 2024 – FAQ wohl nicht angepasst

Seit dem Jahr 2020 wurde auf das Feuerwerk zum Alzeyer Winzerfest verzichtet. Ausschlaggebend für diese Entscheidung waren neben den Corona-Jahren mit „abgespeckten“ Versionen des Winzerfestes unter anderem auch ökologische Gründe. Aber auch die Dürresommer der vergangenen Jahre trugen dazu bei, dass es in den vergangenen Jahren kein Feuerwerk im Rahmen des Winzerfestes gab.

Nach Rücksprache mit den Schaustellern im Anschluss des Winzerfestes 2023, entschied man sich gemeinsam dafür, in diesem Jahr wieder ein Feuerwerk zu organisieren. Wahrscheinlich ist, dass im Zuge der Entscheidung vor einigen Jahren eine Änderung der FAQ vorgenommen wurde, welche für dieses Jahr nicht angepasst wurde. Gleichwohl ist das Feuerwerk auf allen Programm-Flyern des diesjährigen Winzerfestes als Programmpunkt mit angegeben.” schreibt uns die Stadt.

Stadt sieht rechtlich keine Bedenken

“Das Feuerwerk zu verschieben, wäre aufgrund der notwendigen Prüfung des Standortes nicht möglich gewesen, sodass alternativ das Feuerwerk hätte abgesagt werden müssen. Dass das Abbrennen des Feuerwerks mit einem gewissen Risiko für die Pferde einhergeht, war dem Kollegen wohl bewusst.” schreibt uns die Pressestelle.

“Der Staat schützt im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung. Feuerwerke sind nicht generell verboten. Sie unterliegen im Hinblick auf das Abfeuern den Bestimmungen der Sprengstoffverordnung. Diese regelt u.a. in § 23 die Voraussetzungen für das Abbrennen von Feuerwerken.
In unserem Fall wurde das Feuerwerk durch ein zugelassenes Unternehmen abgefeuert. Das Unternehmen hat das Abbrennen entsprechend der einschlägigen Vorschriften den zuständigen Genehmigungsbehörden (Struktur- und Genehmigungsdirektion und Kreisverwaltung) angezeigt. Die Genehmigung liegt dem Sicherheitskonzept bei. Die Genehmigung bezog sich auf einen bestimmten Zeitraum und auf bestimmte Örtlichkeiten.”
heißt es seitens der Stadt auf Anfrage dieser Zeitung, ob die Verwaltung die Einhaltung der tierschutzrechtlichen Verpflichtung gemäß Art. 20a GG in Verbindung mit §16a TierSchG als noch gegeben sieht.

“Der Argumentation unter der Fragestellung folgend dürfte gar kein Feuerwerk mehr abgefeuert werden, da IMMER irgendwelche Tiere davon beeinträchtigt werden, seien es hier die Pferde, Wilddtiere (Rehe, Hasen, Füchse, Vögel) oder sonstige Haustiere (Hunde, Katzen)-
Ungeachtet des rechtlichen Rahmens steht außer Frage, dass die Wahl des Abschussplatzes nicht ideal war und die Sorgen der Familie Grimm sind aus Sicht der Verwaltung absolut nachvollziehbar. Aus diesem Grund sind wir froh, dass es trotz der schwierigen Situation für die Pferde zu keinen Verletzungen oder ähnlichem kam.” so der Pressesprecher.

Kreisverwaltung sieht keine Verantwortung

Auf Anfrage dieser Zeitung erklärt die Kreisverwaltung, dass zur Genehmigung des Feuerwerks beim Winzerfest auf dem Heimersheimer Berg, das von der Kreisordnungsbehörde geprüfte Sicherheitskonzept keine tierschutzrechtlichen Aspekte berühre.
“Demnach lagen keine sicherheitsrechtlichen Bedenken gegen das geplante Feuerwerk vor. Darüber hinaus ist der Veranstalter – in diesem Fall die Stadt Alzey – verantwortlich für die Beauftragung eines qualifizierten Pyrotechnikers sowie die ordnungsgemäße Durchführung des Feuerwerks gemäß den Vorgaben der zuständigen Genehmigungsbehörden (Struktur- und Genehmigungsdirektion und Kreisverwaltung).
“Weiter zeichnet der Veranstalter – in diesem Fall die Stadt Alzey –  für die Beauftragung eines qualifizierten Pyrotechnikers und die ordnungsgemäße Umsetzung des Feuerwerks entsprechend der vorliegenden Vorschriften der zuständigen Genehmigungsbehörden (Struktur- und Genehmigungsdirektion und Kreisverwaltung) verantwortlich.”

Rechtliche Einschätzung von Pferderecht Experte Anwalt Ackenheil

Eine etwas andere rechtliche Einschätzung hat hier Pferderecht Experte Anwalt Andreas Ackenheil: “Nach dem Tierschutzgesetz (TierSchG) (§ 3 Abs. 1) ist es verboten, Tiere ohne vernünftigen Grund zu erschrecken oder ihnen Leid zuzufügen. Das bedeutet, dass das Abbrennen von Feuerwerk in der Nähe von Pferden, insbesondere wenn dies nachweislich zu erheblichem Stress oder Verletzungen bei den Tieren führt, als Verstoß gegen das Tierschutzgesetz gewertet werden kann.” schreibt Ackenheil hierzu.

“Aus diesem Grund war es geboten, dass die Stadt Alzey zumindest über das Feuerwerk in der Nähe des Reiterhofs informiert, sodass die Betreiberin die Möglichkeit hat, die Pferde anderweitig unterzubringen. Diese Möglichkeit muss der Stallbetreiberin auch zu einer angemessenen Zeit geboten werden. Wenn ein vorübergehendes Umstellen nicht möglich ist, muss die Stadt zur Gefahrenabwehr einen alternativen Ort wählen. Das Verhindern von Panik in der Nähe von Pferden dient folglich nicht nur der Sicherheit der Pferde im Stall, sondern auch der Öffentlichkeit, wenn in Panik geratene Pferde ausbrechen und mitunter schwere Unfälle verursachen.” so der Pferderecht Experte.

Gerichtliche Urteile zu ähnlich gelagerten Fällen gibt es ebenfalls, so das VGH München, Urteil vom 07.03.2014, Az.: 22 ZB 13.2221. Hier ging es um die Genehmigung eines Feuerwerks in der Nähe eines landwirtschaftlichen Betriebes, der Tiere hielt. Das Gericht wies darauf hin, dass der Schutz der Tiere und die Vermeidung von unnötigem Stress durch Lärm ein legitimer Grund für Einschränkungen des Feuerwerks darstellt. Der Antrag auf Genehmigung eines Feuerwerks wurde hier abgelehnt, weil die potenziellen Auswirkungen auf die Tiere als zu risikoreich eingestuft wurden.

Glücklicherweise nahmen im konkreten Fall die Tiere keinen Schaden, obwohl diese erneut panisch im Stall wurden, so die Stallbetreiberin.
“Ein Tierhalter, dessen Pferde durch Feuerwerk Schaden erleiden, kann unter Umständen Schadensersatzansprüche geltend machen, basierend auf den Prinzipien des Tierschutzgesetzes.” so Anwalt Ackenheil.

Es war ein tolles Feuerwerk, so der allgemeine Tenoer der zahlreichen Besucher und Kommentare in den sozialen Medien – es bleibt jedoch zu hoffen, dass die Stadt in Zukunft hier wieder Rücksicht walten lässt.


Rechtsanwalt Andreas Ackenheil

Pferderecht Experte Anwalt Andreas Ackenheil

Seit über 20 Jahren ist Andreas Ackenheil spezialisiert auf Streitigkeiten rund um Pferdekauf, Reitunfälle, Tierarzthaftung und alle Gebiete rund um Pferd & Reiter deutschlandweit auch mit Auslandsbezug. Er ist assoziiertes Mitglied der Europäischen Vereinigung für Pferderecht, Pferdemedizin und hippologisch gutachterliche Tätigkeit EWIV und ist Experte für Pferde- und Tierrecht des dt. Anwaltsvereins. Er veröffentlicht in Fachzeitschriften und Onlineportalen, hält Interviews und Vorträge, Seminare u.a. an Universitäten und Tierärztekongressen. Er ist u. a. Autor des Ratgebers für Haustierrecht mit großem Kapitel zum Pferderecht, in dem verständlich die Rechtsprobleme von Pferdekauf bis Tod des Pferdes erläutert werden. Seine Spezialkanzlei mit seinen über 23 MitarbeiterInnen berät bundesweit bei Rechtsfragen rund um Tiere (z.B. Pferdekauf, Unfällen mit Pferden, Hundebeißvorfall,  Tierarzthaftung).

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