Alzey (as) – „33 städtische Arbeitsplätze und Industriegebiet verlagern? Nein, Ziel verfehlt!“ schreibt Stadtratsmitglied Steffen Jung (SPD) in einem Facebook-Post. Hintergrund ist der Vorschlag von Stadtbürgermeister Christoph Burkhard, 33 Arbeitsplätze des Bauhofs, in ein derzeit vom EWR genutzten Gebäude im Industriegebiet zu verlagern. Dieses müsste hierzu für 2.8 Millionen Euro aufgestockt werden. Jung schlägt vor, die Arbeitsplätze zur Stärkung der Innenstadt, in das baufällige Gebäude der Spießgasse 75 („Prinz Emil“) samt Innenhof zu verlegen, bzw. dies prüfen zu lassen.
Die CDU sieht darin reine Wahlpropaganda und schreibt in einer Pressemitteilung:
Eines steht außer Frage: Das Rathaus platzt aus allen Nähten und es müssen neue Büroflächen her. Eine im Ausschuss Zentrale Dienste und Finanzen (ZDF) diskutierte Möglichkeit wäre ein Tauschgeschäft mit der EWR. Damit könnte der Bauhof auf das jetzige EWR-Netzgebäude im Industriegebiet umsiedeln und dieses Bestandsgebäude könnte auch aufgestockt werden, so dass auf zusätzlichen ca. 800 m² über 30 Arbeitsplätze für z.B. das komplette Bauamt und weitere Beschäftigte geschaffen werden könnten.
„Natürlich wäre der Idealfall, wenn man im innerstädtischen Bereich auf städtischem Eigentum einen Erweiterungsbau für das Rathaus realisieren könnte, damit die Mitarbeiter nicht ins Industriegebiet ausgegliedert werden müssen. Auch eine Umnutzung eines denkmalgeschützten Gebäudes wäre sicherlich wünschenswert, um alte Bausubstanz zu erhalten. Allein diese Varianten scheinen bisher leider nicht realisierbar in Sicht“, äußert CDU-Fraktionsvorsitzende Astrid Stork.
Auf den ersten Blick scheint die Idee des 1. Kreisbeigeordneten Jung (SPD) naheliegend, das denkmalgeschützte Gebäude Spießgasse 75 (Prinz Emil) für eine gemeinsame Nutzung mit der Kreisverwaltung zu einem Verwaltungsgebäude umzubauen.
Für die CDU stehen nach intensiver Recherche und Beschäftigung mit diesem Vorschlag allerdings mehr Fragezeichen und das Befürchten einer Kostenexplosion auf dem Plan, als der Vorschlag auf den ersten Blick erwarten lässt. Hierfür spricht eine Vielzahl von Argumenten.
Seit Jahren bietet die Stadt das denkmalgeschützte Gebäude auf dem Immobilienmarkt für Investoren an. Aufgrund des jahrelangen Leerstandes und bereits davor jahrzehntelangem Instandhaltungsstaus befindet sich das Gebäude zwischenzeitlich leider in marodem baulichem Zustand.
Bisher ist leider jeder Versuch von Interessenten gescheitert, eine Nachnutzung (sich selbst gegenüber) wirtschaftlich darzustellen. Zu unüberschaubar scheinen also die Kosten, die sich aus dem Denkmalstatus, dem notwendigen Brandschutz, der Statik und den Anforderungen an die Barrierefreiheit des Fronthauses ergeben.
„Wenn sich also jahrelang trotz intensiver Bemühungen der Stadtverwaltung bis dato zwar viele Interessenten gemeldet, jedoch letztlich bisher kein privater Investor fand, der dieses Projekt tatsächlich angeht und finanziell für stemmbar hält, muss einem das ernsthaft zu denken geben! Nur selten stellt sich die öffentliche Hand bei derlei komplizierten Verhältnissen als besserer Bauherr dar als private Investoren! Auf Steuerzahlerkosten möchten wir als CDU hier in Alzey kein Schlosshotel-Desaster wie in Bad Bergzabern oder Nürburgring-Desaster 2.0 – beides von der SPD-Landesregierung zu verantworten – erleben, und fürchten daher, dass sich ein solches Bauvorhaben als Millionengrab für Stadt und Kreis herausarbeiten könnte.“, bringt Stork zu bedenken.
Selbst eine Teilaufhebung oder eine Komplettaufhebung des Denkmalschutzes würde immense Baukosten nach sich ziehen.
Abgesehen von den fehlenden Parkmöglichkeiten für Mitarbeiter und Besucher. Und auch abgesehen von der letztlich nutzbaren Bürofläche bei einer gemeinsamen Nutzung mit der Kreisverwaltung, die sich für die Stadtverwaltung vermutlich als geringer darstellen würde als bei einer Aufstockung im EWR-Netzgebäude im Industriegebiet.
Ginge man davon aus, dass man – um Kreisverwaltung und Stadtverwaltung gleichermaßen Büroraum anzubieten – am Ende sogar ein zweites Gebäude entlang des Glockenturmweges auf Stelzen errichtet, so dass im Hof einige Autos parken könnten, wäre das finanzielle Wagnis erst recht unübersehbar. Bereits im Gutachten der Architekten Brill und Glas aus 2013 wird zum Beispiel erwähnt, dass dem Thema Stellplätze eine besondere Bedeutung zukommen muss.
Zu beachten wären auch die statischen Untergrundverhältnisse des Fronthauses, die aufgrund der seinerzeitigen Verfüllung des Stadtmauergrabens vor rund 200 Jahren sicherlich Unwägbarkeiten und somit ebenfalls vermutlich Kostensteigerungen mit sich bringen würden. Das Gebäude hängt nicht von ungefähr so durch!
Bereits im Mai 2015 wurden alleine die Abrisskosten des Gebäudes auf über 1,3 Mio. € geschätzt und realistische Umbausummen wurden in 2013 mit ca. 3.2 Mio. € (inkl. Architektenleistungen nach HAOI) beziffert. Legt man den heutigen Baukostenindex zugrunde, sind diese seinerzeit genannten Summen heute mit Sicherheit um ein Vielfaches höher.
Bedenkt man die Baukosten des jüngsten Neubaus der Kreisverwaltung in Höhe von knapp 10 Mio. € (bei ca. 4 Mio. € Zuschuss des Landes) für bis zu 70 Mitarbeiter, kann man sich vorstellen, mit welchen Summen bei einem möglichen Prinz-Emil-Projekt mit all seinen speziellen Herausforderungen zu rechnen sein könnte.
Auch eine Teilaufhebung des Denkmalschutzes, bei dem nur die Front zur Spießgasse erhalten bleiben würde, bringt finanzielle Unwägbarkeiten mit sich, wenn der marode Baukörper dahinter abgerissen würde.
Alles in allem stellt daher die Variante Umbau Prinz Emil zu einem Verwaltungsgebäude mit heutigem Wissen für die CDU keine wirtschaftlich darstellbare Alternative zu z.B. einer Aufstockung des EWR-Gebäudes im Industriegebiet dar. Der Baugrund ist für den Bauhof gekauft, das Gebäude steht, also Gründung vorhanden.
Und sowohl Bauhof- als auch Bauamtsmitarbeiter stehen diesem Umzug sehr offen gegenüber. Die „Jung`sche Mär“, dass also die Innenstadt „leidet“, weil 30 Mitarbeiter der Stadtverwaltung ins Industriegebiet umziehen, scheint daher etwas übertrieben. Zumal dafür auch die EWR-Mitarbeiter aus dem Industriegebiet in die Gartenstraße wechseln (plus Mitarbeiteraufstockung durch EWR).
Für die CDU bleibt der Vorschlag daher zu risikobehaftet und Stork führt abschließend aus: „Bleibt also die Frage, warum der 1. Kreisbeigeordnete Jung (SPD) einen derartigen Vorschlag aus dem Hut zaubert, während seitens der SPD-Fraktionsvorsitzenden im Ältestenrat noch positive Signale bzgl. des EWR-Gebäudes nach Vorstellung der Planungen ausgesandt wurden. Warum weckt man hier vielleicht voreilig falsche Hoffnungen? Also alles nur Wahlkampfgetöse???“
Sollten jedoch neuere realistische Zahlen ein gänzlich anderes und wirtschaftlich definitiv vertretbares Bild auf Prinz Emil werfen, wird sich die CDU einer Diskussion darüber selbstverständlich nicht verschließen!