Alzey (as) – Am 13. Februar 2021 postete Jürgen Stabel auf seinem Facebook-Profil einen Hilfeaufruf, für den in Erbes-Büdesheim in Not geratenen und gestrandeten Circus Hallygally.
Dank viraler Verbreitung kam schnelle Hilfe
Stabel schreibt darin: „WER KANN HELFEN…? Heute morgen mal ne kleine Strohtour zum Zirkus in Erbes-Büdesheim gemacht und erfahren das die dort bis 28.02. ihre Zelte abbrechen müssen wegen Grundstück-Besitzerwechsel! Wer kennt jemanden der jemanden kennt der vlt 2.000 qm² oder gerne mehr momentan gerade nicht zwingend benötigt und sehr nette Menschen für ’ne gewisse Zeit aufnehmen kann? Die Zirkus-Familie steckt voller Ideen und sie ist trotz dieser Nachricht von heute morgen voll motiviert!“
Der Post wird fast 3.000 mal geteilt, unter anderem auch in unserer Gruppe „ESCHTE ALSER KINNER“ und erreichte nicht nur großes mediales Aufsehen, sondern brachte primär effektive Hilfe.
Keine 2 Tage nach dem Aufruf stand bereits ein Platz bei Alzey-Schafhausen zur Verfügung und eine große Umzugsaktion stand für den 22. Februar 2021 an.
Viele Helfer haben sich bereit erklärt tatkräftig zu unterstützen, vorne mit dabei natürlich auch der Initiator des Hilfeaufrufs.
„Das ganze ging unglaublich schnell, Familie Frangel kontaktierte mich und stellte ihr Grundstück bei Schafhausen zur Verfügung, ich war total begeistert von der Hilfsbereitschaft. Um sicher zu sein habe ich den Stadtbürgermeister und Landrat kontaktiert. Da es sich um Privatbesitz handelt, brauchte es jedoch kein OK seitens der Stadtverwaltung hieß es“ erklärt Stabel.
Stadt startet Spendenaufruf
Am 03. März 2021 überraschte die Stadt Alzey mit einem Post auf Facebook, in wessen sie bekannt gibt, dass seitens der Stadt ein Spendenkonto für den gestrandeten Circus eingerichtet wurde.
Entsprechende Bankdaten mit Verwendungszweck wurden veröffentlicht, eine Möglichkeit online zu spenden gibt es nicht.
Bei den Konten handelt es sich allerdings nicht um etwa neu eingerichtete Konten, sondern vielmehr um bereits bestehende Konten der Stadt, welche z.B. auch für die Jahresgebühr der Stadtbücherei genutzt werden. Eine Zuordnung gezahlter Beträge ohne entsprechenden Verwendungszweck dürfte daher einige Probleme bereiten. In den sozialen Medien wurde immer wieder nach einem Online-Konto verlangt.
Stadtbürgermeister Christoph Burkhard erklärt auf Nachfrage: „Wir verwenden die „normalen“ Geschäftskonten der Stadt Alzey, alle Geldeingänge werden durch das Personal der Stadtkasse auf die entsprechenden Haushaltkonten verbucht. Wir haben ein Haushaltskonto Spenden Zirkus neu angelegt. Die Einrichtung dieses städtischen Spendenangebotes soll Menschen erreichen die weniger internetaffin sind und/oder auf eine besonders glaubwürdigen Instanz wie die einer Stadt oder karitativen Einrichtung besonderen Wert legen, weil bei uns sichergestellt ist, dass die Spenden beim Zirkus auch 1:1 ankommen. Damit erreichen wir einen anderen Personenkreis als Spendenaufrufe Privater. Ein online-Konto würde wohl voraussetzen, dass die Stadt Alzey tatsächlich ein Konto bei einer Bank eröffnet. Das lag aber überhaupt nicht in meiner Absicht, sondern ich habe eine hausinterne Buchungsstelle einrichten lassen, die gespeist wird, von den Zahlungseingängen der normalen Geschäftskonten der Stadt“
Nicht zuzuordnende Zahlungseingänge würden von der Sachbearbeitung der Stadtkasse nachgeforscht, findet sich hier keine Aufklärung, würde entsprechend zurücküberwiesen.
Drei Tage später wurde auch von einer Privatperson eine entsprechende Online-Spendenmöglichkeit angeboten.
Wahlwerbung mit in Not geratenem Circus?
Am gestrigen Donnerstag, 11. März 2021 stellte dann auch die Beigeordnete der Stadt Alzey, Frau Natalie Bauernschmitt (CDU), ein Video auf ihrer Facebook-Seite onlie, in welchem Sie ebenfalls zum spenden aufruft. Die Seite wird von der Landtagskandidatin eigentlich zu Wahlkampfzwecken genutzt.
Die Fraktionsvorsitzende der SPD, Stephanie Jung, sieht darin eine Verknüpfung ihres Amtes als städtische Beigeordnete einerseits und der Kandidatur zur Landtagswahl auf der anderen Seite. „Grundsätzlich spricht nichts dagegen, wenn sich eine städtische Beigeordnete der Sache annimmt. Gleichzeitig hat der Zeitpunkt des Besuchs und die Öffentlichkeitsarbeit hierzu für Verwunderung gesorgt, ist dies alles doch in der Woche vor der Landtagswahl geschehen und werden hierbei doch das Amt als städtische Beigeordnete und die Kandidatur miteinander verknüpft. „ schreibt Jung der Alzeyer-Zeitung.
Beigeordnete Natalie Bauernschmitt erklärt unserer Zeitung gegenüber: „Ich verwende meinen Facebook-Account zwar aktuell im Rahmen der Landtagswahl, allerdings auch weiterhin für meine generelle politische Arbeit. In der Tat habe ich erst persönlich von der schwierigen Situation des Zirkus Hallygally erfahren, als diese vor kurzem nach Alzey umgezogen und so auch in den Zuständigkeitsbereich der Stadt Alzey gefallen sind, u.a. waren und sind hier ordnungsrechtliche Fragestellungen zu klären, für die ich als städtische Beigeordnete zuständig bin.“
Aktion im Alleingang
In der der letzten Sitzung des Ausschusses für Bürgerdienste (Di, 03. März 2021), geleitet von den Beigeordneten Dr. Stark und Bauernschmitt, wurde das Thema Circus in Not jedenfalls nicht erörtert.
Die SPD Fraktionsvorsitzende Stephanie Jung zeigt sich daher sehr verwundert: „Hätte man hier doch auf die Thematik aufmerksam machen und zudem auch gemeinsam mit den Ausschussmitgliedern überparteilich überlegen können, inwiefern die Stadt hier eine Hilfestellung anbieten könnte. Beides ist leider nicht der Fall gewesen und das, obwohl die Thematik um den gestrandeten Zirkus durch den Antrag auf Erlass eines Wildtierverbots im Zirkus, seitens der Fraktion DIE LINKE, quasi indirekt Gegenstand der Beratungen war.“
Letztendlich sollte es jedenfalls immer um die Sache gehen, betonte Jung, in diesem Fall also darum, den Zirkusleuten zu helfen. „Die Vorgehensweise der städtischen Beigeordneten, die das Video dann kurz vor der anstehenden Landtagswahl auch ausschließlich auf ihrer politischen Seite bei Facebook teilt, ist sicherlich zumindest zu hinterfragen und hat in unserer Fraktion Verwunderung ausgelöst.“ so Jung.
Gülcehre (DIE LINKE) ebenfalls verwundert über Alleingang
Der Fraktionsvorsitzende von DIE LINKE, Kemal Gülcehre begrüßt in jedem Fall diese privat ins Leben gerufene Hilfsaktion, kann aber ebenfalls das Aufgreifen und den Alleingang der Stadt und Frau Bauernschmitt zum aktuellen Zeitpunkt kurz vor den Wahlen nicht als Zufall ansehen, zumal es ähnliche Fälle gab, mit ganz anderer Handlungsweise.
So schreibt uns Gülcehre: „Es ist schon sehr interessant, wie mit zweierlei Maß gemessen wird, auf der Seiten werden Schausteller von ihrem Platz verwiesen in Alzey (die Schaustellerfamilie Rasch suchte unlängst ebenfalls dringend einen Standplatz – Anm. d. Red.), auf der anderen Seite wird im Außenbereich einfach ein Zirkus genehmigt, ohne Absprache mit dem notwendigen Gremium. In der Not sollte man jedem helfen, keine Frage, aber es ist schon interessant, wenn es in Richtung Wahlen geht, wie plötzlich zwei eigentlich gleiche Dinge unterschiedlich gehandhabt werden.“
Gülcehre hinterfragt zudem, wie es denn mit der Spendensammelaktion auf dem vorhandenem Stadtkonto weitergehen soll, sind beispielsweise weitere Aktionen für andere in Not geratene Betriebe und Schausteller geplant?
„Es ist meine Aufgabe als städtische Beigeordnete zu unterstützen und das tue ich gerne, unabhängig einer Wahl. Es ist Zufall, dass der Zirkus gerade vor kurzem die Möglichkeit erhalten hat, mit ihrem Zirkus auf einen Platz in Alzey auszuweichen.“ erklärt die Beigeordnete.
Den Vorwurf bei Familie Rasch nicht geholfen zu haben, mag der Stadtbürgermeister nicht auf sich sitzen lassen „Die Schaustellerfamilie Rasch war vor etwa einem Monat bei mir und bat um konkrete Hilfe. Ihr wurde wunschgemäß konkret geholfen indem Ihnen vertraglich (kostenlos und zeitlich befristet) ein Grundstück zum Aufbau/Wartung/TÜV-Abnahme ihres Auto-Scooters von der Stadt Alzey zugeteilt wurde, dieser Vertrag läuft noch bis Monatsende. Dies ist aber etwas gänzlich anderes, als der seinerzeitige Wunsch der Familie Rasch auf einem eigenen Gartengrundstück ihren Gewerbebetrieb unterzustellen. Dies ging rechtlich eben nicht und hier wurde die Kreisverwaltung – Kreisbauamt- zurecht tätig“
Dem Initiator der Hilfsaktion missfällt massiv, dass diese Thematik zu einem Politikum wird „Meine Intension war die solidarische Hilfe in der Not – das hat zum Glück alles super geklappt, bei allem anderen hier bin ich raus“ erklärt uns Jürgen Stabel.
Wir von der Alzeyer-Zeitung möchten hier ebenfalls einfach nochmals auf die Not des Circus aufmerksam machen und auf die aktuellen Spendemöglichkeiten hinweisen:
Online (privat): https://www.spendenseite.de/alzey-zirkus-ben-246-tigt-hilfe/-34120
Bank/Sparkasse (Stadt Alzey): Betreff „Spende Hallygally“
Volksbank Alzey-Worms – IBAN DE45 5509 1200 0000 2232 04
oder
Sparkasse Worms-Alzey-Ried – IBAN DE27 5535 0010 0004 0000 22.