Alzey (as) – Die Diskussion um die Grundsteuer in Alzey sorgt weiterhin für starke Reaktionen. Nach einem kritischen Leserkommentar in einer Online-Gruppe der Alzeyer Zeitung hat sich nun auch die Stadtverwaltung zu Wort gemeldet und in einer umfangreichen Pressemitteilung die Hintergründe erläutert.
Ein Bürger hatte in dem Beitrag scharf kritisiert, dass die Stadt den Hebesatz zur Grundsteuer B um über 60 Prozentpunkte auf 520 % erhöht habe – parallel zur bundesweiten Neubewertung der Grundstücke durch die Finanzämter. Dadurch sei die jährliche Grundsteuer für viele Eigentümer faktisch verdoppelt worden. Zudem seien die Straßenreinigungsgebühren um etwa 30 % gestiegen. Der Kommentator beklagt, dass Vermögens- und Erbschaftssteuern wohlhabendere Bürger kaum träfen, während „die kleinen Doofis“, die sich ihr Hab und Gut erspart hätten, die Hauptlast tragen müssten.
Bürgermeister verteidigt Vorgehen der Stadt
Bürgermeister Steffen Jung wies die Vorwürfe zurück und betonte, dass die spürbare Mehrbelastung im Wesentlichen auf die bundesweite Grundsteuerreform zurückzuführen sei. Diese wurde vom Bundesverfassungsgericht angeordnet, weil die bisherigen Bewertungsgrundlagen noch aus den 1960er-Jahren stammten. Das Finanzamt habe alle Grundstücke neu bewertet, wodurch sich die Messbeträge – und damit die Höhe der Grundsteuer – vielerorts stark verändert hätten.
Der Stadtrat habe den Hebesatz auf 520 % (Grundsteuer B) und 480 % (Grundsteuer A) festgesetzt. Diese Werte lägen laut Jung „nahe am aufkommensneutralen Bereich“, also so, dass die Stadt insgesamt nicht mehr einnimmt als zuvor. Eine stärkere Senkung hätte zu Einnahmeverlusten geführt, die wichtige Leistungen wie Kitas, Schulen, Straßenunterhalt oder die Feuerwehr gefährden könnten. Jung betonte, Alzey habe sich bewusst gegen die vom Land empfohlenen höheren Hebesätze entschieden.
Reaktion des Kommentators
Der ursprüngliche Kommentator zeigte sich mit dieser Erklärung unzufrieden. Er verwies darauf, dass der Hebesatz kommunal festgelegt wird und keine gesetzliche Pflicht zur Anhebung besteht. Wenn die Stadt trotz der Erhöhung keine Mehreinnahmen verzeichne, müsse dies bedeuten, dass sich Erhöhungen und Minderungen rechnerisch ausgleichen – was angesichts steigender Steuerbescheide in der Praxis nicht nachvollziehbar sei. Auch die Verbindung von aufkommensneutraler Anpassung und „Weiterentwicklung der Stadt“ bezeichnete er als widersprüchlich.
Pressemitteilung der Stadt: „Fragen und Antworten zur Grundsteuer 2025“
Die Stadtverwaltung reagierte auf die öffentliche Diskussion mit einer ausführlichen Pressemitteilung. Darin beantwortet sie häufige Fragen zur Grundsteuerreform und zur Situation in Alzey:
- Verspätete Bescheide: Die rund 12.000 Grundsteuer-Bescheide für 2025 wurden erst im Oktober versandt, weil die gesamten Bewertungsdaten der Grundstücke erst nach und nach übermittelt wurden.
- Gründe für die Erhöhung: Die Stadt betont, dass die höheren Beträge überwiegend auf die Neubewertung durch das Finanzamt zurückgehen. Viele Wohnimmobilien haben laut neuem Bundesmodell an Wert gewonnen, während gewerbliche Objekte teils verloren haben – das verschiebt die Steuerlast in Richtung privater Eigentümer.
- Hebesätze: Mit den beschlossenen 480 % (Grundsteuer A) und 520 % (Grundsteuer B) liegt Alzey unter den Landesempfehlungen. Eine stärkere Senkung sei nicht möglich gewesen, da sie die Haushaltslage geschwächt hätte.
- Einspruchsmöglichkeiten: Wer seinen Grundsteuer-Bescheid für fehlerhaft hält, kann beim Finanzamt Einspruch gegen den Grundsteuer-Messbescheid einlegen. Bei Rückfragen zur Zahlungsmodalität wendet man sich an: steuern@alzey.de.
- Bearbeitungszeiten: Die Verwaltung weist auf eine außergewöhnlich hohe Anzahl an Rückfragen hin und bittet um Geduld sowie um möglichst elektronische Anfragen.
- Zukunftsperspektive: Eine automatische weitere Erhöhung der Grundsteuer sei nicht vorgesehen. Ob spätere Anpassungen nötig werden, hänge von der Finanzlage der Stadt und Investitionen ab. Für 2026 sei die Einführung differenzierter Hebesätze in Prüfung.
- Verwendung der Einnahmen: Die Stadt betont, dass die Grundsteuer vollständig in Alzey verbleibt und direkt in Aufgaben wie Straßen, Schulen, Kitas, Spielplätze, Kultur und Sport fließt.
Vergleich mit fünf Städten ähnlicher Größenordnung (ca. 20.000 Einwohner) & deren Hebesätze
Stadt | Einwohner (ca.) | Hebesatz Grundsteuer B ab 2025 |
---|---|---|
Germersheim | ~ 21 100 | 465 % |
Haßloch | ~ 20 400 | 465 % |
Bad Neuenahr‑Ahrweiler | ~ 26 700 | 490 % |
Schifferstadt | ~ 20 400 | 620 % |
Bad Ems | ~ 20 300 | 705 % |
(Hinweis: Einwohnerzahlen gerundet; Hebesätze laut Stand 01.07.2025)
Eine Übersicht der aktuellen Grundsteuer und die Entwicklung der Hebesätze Grundsteuer B (%) in Rheinland-Pfalz gibt es auf einem Flyer der IHK Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz
Fazit
Im Vergleich zeigt sich: Alzey liegt mit einem Hebesatz von 520 % im Mittelfeld der Städte dieser Größenordnung – höher als Germersheim und Haßloch, aber günstiger als Städte wie Schifferstadt oder Bad Ems. Die Stadt sieht ihre Belastung als mit Blick auf Haushalt und Infrastruktur verantwortbar, während viele Bürger die Belastung dennoch als deutlich spürbar empfinden.