Alzey (as) – Die jüngste Änderung der Müllgebühren sorgt in Alzey weiter für Diskussionen. Parallel zur Umstellung melden viele Bürger eine deutliche Verschlechterung des Stadtbilds – vor allem rund um Containerstandorte, an Straßenrändern und in Grünanlagen. Die Alzeyer Zeitung hat deshalb auf ihren Social-Media-Kanälen eine große Umfrage gestartet, um Stimmen direkt aus der Bevölkerung und von Besuchern der Stadt einzuholen.
Innerhalb kürzester Zeit erreichte der Beitrag über 40.000 Aufrufe. Hunderte Kommentare, Reaktionen und geteilte Beiträge zeigen, welchen Stellenwert das Thema hat. Zahlreiche Bilder von vermüllten Plätzen, überfüllten Containern oder illegal abgelagertem Abfall wurden gepostet.
Was die Menschen berichten
Viele Bürger sehen den Zusammenhang zwischen der Gebührenumstellung und der zunehmenden Vermüllung. Ein Leser formuliert es so:
„Ich glaube nicht, dass es hauptsächlich um die Trennung des Müll geht, sondern: Wie kann ich für weniger Leistung mehr bezahlen? Wenn nur viermal im Jahr die graue Tonne ohne Zusatzkosten geleert wird, entsorgen Menschen, die nicht viel Geld haben, ihren Müll anderweitig. Das sieht man deutlich. Ich fürchte, es wird noch schlimmer.“
Eine Leserin äußert sich ähnlich: „Das war total klar, dass es so kommt. Sowas passiert, wenn man das Konzept ändert.“
Eine weitere Nutzerin beschreibt das Problem differenzierter: „Die geänderten Müllgebühren sind mitverantwortlich. Aber den Leuten muss klar sein, dass Müllentsorgung einen Wert hat – für Umwelt und Klima. Es gibt zu wenig Container für Altkleidung und Flaschen, anderswo stehen sie dichter und werden häufiger geleert. Hier sind sie oft überfüllt. Außerdem gibt es zu wenig öffentliche Mülleimer.“
Sie weist zudem auf politische Rahmenbedingungen hin und kritisiert übermäßige Verpackungen im Handel und Versand.
Ein weiterer Kommentar richtet sich an ein lokales Medium: „Der Artikel in der AZ war für mich merkwürdig. Ich sehe, dass sich die Lage in der Stadt nicht verbessert.“
Eine Leserin schildert eine persönliche Perspektive:
„Als Alleinlebende in einem Mehrfamilienhaus mit ungefähr einer Brötchentüte Restmüll in 4 Wochen hat man wirklich verloren. Ich kann so viel Müll reduzieren, wie ich will und zahle munter für die anderen mit. Das ist mehr als frustrierend. Und wenn man unseren Mülltonnenbereich sieht, meint man, man sei in der Müllhölle gelandet. Wie viele Menschen von außerhalb ihren Müll wild bei uns entsorgen, ist beschämend. Wir sind gezwungen, hier Tür und Riegel nachzurüsten, denn abgesehen von der Menge ist bei illegaler Entsorgung jede Tonne gut genug.“
Die wichtigsten Fragen der Umfrage
Die Alzeyer Zeitung bat die Bürger unter anderem um Antworten auf folgende Punkte:
1. Wie hat sich das Stadtbild verändert?
2. Wird mehr illegaler Müll wahrgenommen?
3. Liegt das Problem an den geänderten Müllgebühren oder anderen Ursachen?
4. Tut die Verwaltung genug?
5. Gibt es zu wenige Mülleimer oder Container?
6. Gibt es persönliche Hürden bei der Entsorgung bestimmter Abfallarten?
7. Was müsste passieren, damit Alzey wieder sauberer wird?
Viele Kommentare deckten sich: zu viele überfüllte Sammelstellen, überlastete oder schlecht platzierte Container, zu wenig Kontrolle, zu langsame Beseitigung illegaler Ablagerungen – und eine wachsende Frustration über die Entwicklung.
Das sagt der Bürgermeister zur Lage
Die Alzeyer Zeitung hat die Ergebnisse und Rückmeldungen zum Anlass genommen, Stadtbürgermeister Steffen Jung um eine Einschätzung zu bitten.
Wilde Müllablagerungen seien ein anhaltendes Problem – nicht nur in Alzey, so der Bürgermeister. Eine deutliche Zunahme gebe es vor allem rund um Altkleider- und Glascontainer. Auch an regulären Müllsammelplätzen sei mehr Abfall zu beobachten.
Sorgen der Bürger
Jung teilt die Sorgen ausdrücklich und nennt Zahlen. Die kommunale Auswertung zeigt eine drastische Entwicklung:
* 2023: 161 Ablagerungen (14 an Containerstandorten)
* 2024: 156 Ablagerungen (16 an Containerstandorten)
* 2025 (bis 14.11.): 185 Ablagerungen (69 an Containerstandorten)
„Jede Müllablagerung ist eine zu viel“, betont der Stadtchef.
Was die Stadt tun kann
Der Kommunale Vollzugsdienst sei regelmäßig unterwegs, könne aber immer nur Momentaufnahmen erfassen. Ein Außendienstmitarbeiter bearbeitet gezielt Fälle illegaler Ablagerung. Hinweise aus der Bevölkerung seien entscheidend – besonders Kennzeichen oder Beobachtungen.
Bürger können Missstände telefonisch, per E-Mail oder über den Mängelmelder melden.
Austausch mit dem Landkreis
Die Stadt steht laut Jung im engen Austausch mit dem Abfallwirtschaftsbetrieb sowie der Unteren Abfallbehörde. Ziel sei es, Entsorgungswege zu beschleunigen und Bußgeldverfahren effizienter abzuwickeln.
Erwartung an den Landkreis
Eigene Kontrolltrupps des Kreises hält Jung angesichts der Größe des Gebiets für unrealistisch. Wichtiger sei schnelle Unterstützung bei der Entsorgung und konsequente Bearbeitung von Verfahren. „Wo Müll liegt, kommt schnell weiterer Müll dazu“, so der Bürgermeister.
Einschätzung des Abfallwirtschaftsbetriebs des Landkreises
Auf Anfrage an Landrat Heiko Sippel antwortete der Abfallwirtschaftsbetrieb des Landkreises Alzey-Worms ausführlich:
1. Aktuelle Situation in Alzey und im Landkreis:
„Wir können bereits jetzt feststellen, dass die Mengen des Restabfalls deutlich zurückgehen – aktuell werden 30 bis 40 % weniger Restabfälle eingesammelt. Auch die Nachfrage nach Gelben und Blauen Tonnen zeigt, dass Abfalltrennung immer mehr Beachtung findet. Besonders erfreulich ist, dass sich die Qualität des Bioabfalls verbessert hat. Ein stärkeres Problem besteht momentan bei den Altkleidercontainern, die von gemeinnützigen Betreibern nicht oder nicht regelmäßig geleert werden. Bürger legen ihre Kleider dann daneben, wodurch weitere Abfälle angelockt werden. Nass gewordene Kleidung muss später als Restabfall entsorgt werden.“
„Auch innerorts beobachten wir mehr illegale Ablagerungen – aber bei Weitem nicht in dem Umfang, wie Restabfall eingespart wird. Die Einsparung beträgt mehrere tausend Tonnen. Gleichzeitig gelingt es uns, den Anteil der Wertstoffe durch bessere Trennung deutlich zu erhöhen – Wertstoffe, die künftig nicht mehr verbrannt werden müssen und CO₂ emittieren.“
2. Sorgen der Bürger:
„Es ist verständlich, dass Bürgerinnen und Bürger einen Zusammenhang zwischen Gebührenänderung und Müllaufkommen sehen. Aber ein Großteil der Bevölkerung verhält sich umweltbewusst. Wer seinen Müll illegal entsorgt, tut dies unabhängig von der Tonnenkapazität oder der Häufigkeit der Leerung. Wir haben in diesem Jahr rund 60 Tonnen illegalen Abfall abtransportiert – darunter 900 alte Auto- und LKW-Reifen, 14 Tonnen Bauschutt, 1,5 Tonnen Altholz und 40 Tonnen Restmüll.“
3. Rückmeldungen und Beschwerden:
„Wir beobachten die Vermüllung zusammen mit dem AWB und der Unteren Abfallbehörde genau. Hinweise aus der Bevölkerung gehen wir nach, und bei Beweislage werden Bußgeldverfahren eingeleitet.“
4. Geplante Maßnahmen:
* Bürgertelefon und Informationsangebote zu Abfalltrennung
* Bereitstellung zusätzlicher gebührenpflichtiger Restabfalltonnen in größeren Mehrfamilienhäusern
* Informationsveranstaltungen im Rahmen des Bürgerdialogs, z. B. in Vereinen, Schulen oder Supermärkten
* Zwischenlagerung illegal abgelagerter Abfälle auf Bauhöfen
* Aufklärung und Bußgeldverfahren durch Untere Abfallbehörde
5. Überprüfung des Gebührenmodells:
„Das Gebührenmodell ist von Anfang an für eine Evaluation nach 18 Monaten vorgesehen, um bei Beschwerden reagieren zu können.“
Deutliches Signal aus der Bevölkerung
Die massive Resonanz auf die Umfrage zeigt, dass das Thema Sauberkeit für die Menschen in Alzey zentral ist. Die Meinungen unterscheiden sich, aber die Beobachtung ist weitgehend identisch: Das Stadtbild hat sich verschlechtert, besonders an klar benennbaren Brennpunkten.































