Bingen/Alzey (as) – Die Landesregierung Rheinland-Pfalz plant, das Fach Informatik ab dem Schuljahr 2028/2029 als verpflichtendes Fach in den Klassenstufen 7 bis 10 an weiterführenden Schulen einzuführen. Der Verband Reale Bildung (VRB), der sich seit Langem für eine stärkere informatische Bildung an Realschulen plus und Integrierten Gesamtschulen einsetzt, begrüßt grundsätzlich diese Entwicklung. Allerdings sieht der Verband vor der konkreten Umsetzung erheblichen Klärungsbedarf in Bezug auf personelle, organisatorische, technische und pädagogische Rahmenbedingungen.
Herausforderungen bei der Einführung des Pflichtfachs
Mit der verpflichtenden Einführung des Fachs Informatik reagiert das Bildungsministerium auf die zunehmende Digitalisierung in allen Lebensbereichen. In vielen Bundesländern sowie in Frankreich und Österreich gehört Informatik bereits zum festen Bestandteil der Stundentafel. An Realschulen plus und Integrierten Gesamtschulen in Rheinland-Pfalz wird Informatik derzeit überwiegend als Unterrichtsprinzip in den Wahlpflichtfächern integriert. Zusätzliche Angebote sind wählbar, aber nicht verpflichtend, sodass informatische Bildung nur einen Teil der Schülerschaft erreicht. Dies wird angesichts der wachsenden Bedeutung digitaler Kompetenzen als nicht mehr ausreichend betrachtet. Die Einführung eines eigenständigen Informatikunterrichts sei daher zeitgemäß und notwendig, stellt der VRB fest. „Allerdings führt sie nicht bedingungslos zum Gelingen,“ betont VRB-Landesvorsitzender Timo Lichtenthäler.
Dringende Fragen zur Umsetzung
Der VRB hebt hervor, dass vor der Einführung des Pflichtfachs Informatik verschiedene grundlegende Fragen geklärt werden müssen:
- Lehrerversorgung:
Kann die Landesregierung bis 2028 eine ausreichende Anzahl qualifizierter Informatiklehrkräfte bereitstellen?
Fakt ist: Derzeit gibt es nur wenige universitär oder an Studienseminaren für das Lehramt Realschulen plus ausgebildete Fachkräfte für Informatik. Der Unterricht wird aktuell überwiegend von Lehrkräften mit fachlicher Affinität oder mit einer Weiterbildung im Bereich Informatik übernommen. Künftig könnten Schulen verstärkt auf Seiten- und Quereinsteiger angewiesen sein. - Technische und materielle Ausstattung:
Werden alle Schulen über die notwendige Infrastruktur verfügen, um einen qualitativ hochwertigen Informatikunterricht anzubieten?
Fakt ist: Die Finanzierung der technischen Ausstattung liegt in der Verantwortung der Schulträger, die sich oft in einer angespannten Haushaltslage befinden. - Auswirkungen auf die Stundentafel:
Welche Fächer müssen Stundenkürzungen hinnehmen, um den zusätzlichen Informatikunterricht zu ermöglichen?
Fakt ist: Andere Unterrichtsfächer – möglicherweise aus dem Bereich der Naturwissenschaften oder dem musisch-künstlerischen Bereich – könnten durch die Einführung des Informatikpflichtfachs reduziert werden. - Ausweitung der Unterrichtszeit:
Ist geplant, die Gesamtstundenzahl zu erhöhen, um Kürzungen in anderen Fächern zu vermeiden? Welche organisatorischen und pädagogischen Folgen hätte dies?
Fakt ist: Ein verpflichtender Nachmittagsunterricht könnte erhebliche Auswirkungen haben, insbesondere in Bezug auf Schülerbeförderung, fehlende Mittagsverpflegung und die Arbeitsbelastung der Lehrkräfte.
VRB fordert klare Rahmenbedingungen
Der Verband Reale Bildung fordert die Landesregierung auf, rechtzeitig die notwendigen strukturellen, personellen und finanziellen Voraussetzungen zu schaffen, um einen hochwertigen Informatikunterricht zu gewährleisten. Dazu gehört auch eine fachwissenschaftlich fundierte Lehrerausbildung.
Der VRB hält die Einführung von Informatik als Pflichtfach für einen wichtigen Schritt, warnt jedoch: „Vor der Einführung von Informatik als Pflichtfach besteht noch erheblicher Klärungsbedarf.“
Wer ist der Verband Reale Bildung (VRB) Rheinland-Pfalz und wofür steht er?
Der Verband Reale Bildung (VRB) Rheinland-Pfalz vertritt als Berufsorganisation Lehrkräfte an Realschulen plus und Integrierten Gesamtschulen sowie Referendare in den Studienseminaren des Landes. Sein Ziel ist es, die Reale Bildung in Rheinland-Pfalz zu sichern und weiterzuentwickeln.
Vertretung und Aufgaben
Der Verband engagiert sich in der Bildungspolitik und tritt gegenüber dem Landtag, der Landesregierung und den politischen Parteien für die Interessen der Lehrkräfte ein. Zudem setzt er sich gegenüber der staatlichen Schulaufsicht und privaten Schulträgern für bessere Rahmenbedingungen an den Schulen ein. In der Öffentlichkeit macht der Verband auf die Herausforderungen und Anliegen der Realschulen plus und Integrierten Gesamtschulen aufmerksam.
Forderungen und Schwerpunkte
Der VRB Rheinland-Pfalz setzt sich für folgende Verbesserungen im Bildungsbereich ein:
- Schulentwicklung: Gleichberechtigte Förderung der Schulformen, bessere räumliche und materielle Ausstattung sowie Vermeidung dislozierter Standorte.
- Unterrichtsbedingungen: Reduzierung der Klassengrößen, bessere Lehrerversorgung, Erhöhung der Anrechnungsstunden und Maßnahmen zur Gesundheitsprävention für Lehrkräfte.
- Erziehung und Sozialarbeit: Ausbau der Schulsozialarbeit, Verstärkung des schulpsychologischen Dienstes sowie Programme zur Gewaltprävention und Streitschlichtung.
- Berufsperspektiven für Lehrkräfte: Vermehrte Vergabe von Planstellen anstelle befristeter Verträge, Vermeidung fachfremden Unterrichts und eine gerechtere Besoldung.
- Berufsorientierung und Fachoberschulen: Verbesserung der Berufsberatung, stärkere Einbindung von Wirtschaft und Arbeitsagenturen sowie gezielte Unterstützung für Fachoberschulen.
- Inklusion und Förderschulen: Bedarfsgerechte Ausbildung und Bereitstellung von Förderschullehrkräften, Zusatzqualifikationen sowie ausreichende personelle und materielle Ressourcen für Schwerpunktschulen.
- Lehrerfortbildung: Erweiterung praxisnaher Fortbildungsangebote, schulartbezogene Weiterbildungsmaßnahmen und regionale Qualifizierungsprogramme.
- Besoldung und Arbeitsbedingungen: Anpassung der Lehrkräftebesoldung, Einführung funktionsloser Beförderungsämter sowie Entlastungen für ältere Lehrkräfte durch reduzierte Unterrichtsverpflichtung.
Struktur und Vernetzung
Der VRB Rheinland-Pfalz ist Teil des dbb Beamtenbundes und der Tarifunion und bietet seinen Mitgliedern vielfältige Serviceleistungen. An den Schulen sind VRB-Delegierte als Ansprechpersonen präsent. Auf Landesebene ist der Verband in den Bezirksverbänden Koblenz, Neustadt und Trier organisiert. Zudem ist er bundesweit mit anderen Landesverbänden im Verband Deutscher Realschullehrer (VDR) und im Deutschen Lehrerverband (DL) vernetzt.
Mit diesen Maßnahmen und Forderungen setzt sich der VRB Rheinland-Pfalz aktiv für eine qualitätsorientierte Schulpolitik, faire Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte und eine nachhaltige Weiterentwicklung der Bildungslandschaft ein.
Mehr Informationen gibt es unter: vrb-rlp.de