Alzey (as) – Bereits am 08.04.2022 gab es im Mehrgenerationenhaus in Alzey ein erstes Treffen von Geflüchteten aus der Ukraine.
„Ich habe diese Möglichkeit schaffen wollen, damit sich Betroffene untereinander einmal kennen lernen, Erfahrungen austauschen, aber auch um Hilfestellungen bei Problemen geben zu können, denn jeder hat andere Erfahrungen gemacht“ erklärt Anna Keslov, Initiatorin der Treffen, die selbst mehrere Geflüchtete aufgenommen hat.
Einladung stößt auf große Resonanz
Über 30 Personen folgten der Einladung zum ersten Treffen im Mehrgenerationenhaus in Alzey, die Freude war groß sich einmal wieder in seiner Muttersprache unterhalten zu können, aber auch Erfahrungen die man während der Flucht machte auszutauschen.
Tragische Schicksale die man zu hören bekam – Frauen, die sich von ihren Männern unter Tränen verabschieden mussten, Kinder, die ihre Väter zurück gelassen sahen.
Bis zu 14 Tage waren einige unterwegs, ein beschwerlicher Weg vom Osten der Ukraine über Moldawien, Rumänien, Ungarn, Slowakei und Polen, bis sie letztlich in und um Alzey zu Bekannten oder Freunde unterkamen.
Geflüchtete und Helfer stoßen auf bürokratische Hürden
Nach der Ankunft beginnt dann jedoch der bürokratische Akt. Einige Familien lehnten eine Anmeldung zunächst sogar ab, da Personen, die sich am 24.02.2022 in der Ukraine aufgehalten haben, ohne Visum nach Deutschland einreisen und sich in Deutschland aufhalten können, diese Regelung gilt zunächst bis 23.05.2022.
„Wir gingen zunächst davon aus, dass der Krieg nicht lange dauert“, so ein Gast, der in Freimersheim untergekommen ist – „jedoch besteht auch keine Auslandsreiseversicherung – und so wie es sich abzeichnet, dauert der Krieg doch länger als zunächst angenommen.“
Anne Keslov ist für viele in der Region erste Ansprechstelle und versucht so gut es geht zu koordinieren „das gestaltet sich wirklich sehr schwierig, da noch immer unterschiedliche Informationen von verschiedenen Ämtern und Stellen kommen“, so die Initiatorin des Treffs im Gespräch mit der Alzeyer-Zeitung.
Unklare Regelungen und Informationen verzögern Hilfe
Auch die Alzeyer-Zeitung hat eine Frau aus Charkiw aufgenommen. Die 26-jährige mit Masterabschluss in Physik half beim Treffen gerne bei der Übersetzung und vermittelte an unsere Redaktion zur Hilfestelung bei Behördengängen.
„Wir sind am 12.03.2022 hier angekommen“ erzählt zum Beispiel die 28-jährige Mariia, die gemeinsam mit ihrer Mutter aus der Nähe zur Grenze von Belarus flüchtete und nun im Offenheimer Pfarrhaus untergekommen ist.
„Am 30.03.2022 haben wir uns in der Verbandsgemeindeverwaltung Alzey-Land angemeldet, seitdem ist leider nichts mehr geschehen“, erzählt die Frau, die aufgrund massiver Knieprobleme eigentlich eine ärztliche Untersuchung anstrebt.
In der Physio-Praxis von Paul und Anna Keslov kann die Frau zur Entlastung zumindest einige Übungen machen.
Die Familie wurde bei der Verbandsgemeindeverwalteung wohl korrekt angemeldet, dort habe man dann jedoch lediglich noch ein Schreiben für die Ausländerbehörde mitbekommen. „Ansonsten gab es keine weiteren Formulare und auch keinen ausdrücklichen Hinweis auf die zuständige Behörde, wie z. B. für die Beantragung von Sozialleistungen“ schreibt uns Pfarrer Eric Bohn auf Anfrage.
„Auf der Homepage der Kreisverwaltung gab es eine Information, die an sich sehr hilfreich war/ist. Bei der Ausländerbehörde wurde ich auch sehr freundlich und kompetent beraten. Allerdings wäre es gut gewesen, wenn man mich dort noch auf die Beantragung von Sozialleistungen beim Sozialamt der Kreisverwaltung hingewiesen hätte. Statt dessen wurde mir mitgeteilt, dass ich nichts mehr zu regeln hätte – was sich aber offenbar nur auf die Zuständigkeit der Ausländerbehörde bezog.“
Mit diesem Hinweis wurde offensichtlich der Eindruck erweckt, man müsse nun nichts weiter unternehmen, da die Ausländerbehörde alles Weitere veranlassen würde „was aber, im Hinblick auf die Sozialleistungen nicht der Fall war“ so Pfarrer Bohn, der aufgrund der fehlenden Informationen nun erst am 13.04.2022 die Antragsformulare für Sozialleistungen ausfüllen konnnte.
Informationsblatt der Diakonie mit Hilfestellung und Adressdaten
Auch das Informationsblatt der Diakonie lässt vermuten, dass man chronologisch vorgehen müsse – tatsächlich aber kann ein Antrag auf Sozialleistungen (Punkt 3) gleichzeitig bzw. zeitnah mit der Anmeldung (Punkt 1) erfolgen.
Probleme gab es in der Vergangenheit auch bei Anträgen von Familien mit Kindern. „Hier hat man auf übersetzte Dokumente bestanden, was, bei 4 Kindern und ca. € 35.- pro Dokument, sowie einer vorhandenen Sprachbarriere durchaus zu großen Problemen führte“ erklärt Anna Keslov, welche beim Beirat für Migration und Integration und Herrn Kemal Gülcehre Hilfestellung fand.
Nachbarlandkreis macht vor wie es besser geht
Im benachbarten Donnersbergkreis ist die Vorgehensweise eine andere.
Auch hier betreut und hilft die Alzeyer-Zeitung, gemeinsam mit Pfalz-News, mehrere Familien.
Ein Anruf bei der Verbandsgemeindeverwaltung Kirchheimbolanden veranlasst das Zusammenstellen aller notwendigen Dokumente, von Meldung bei der Ausländerbehörde, eventueller Mietvertrag, Antrag auf Sozialleistungen und weiteres.
Die Dokumente können dann bei der Verbandsgemeindeverwaltung abgeholt werden.
Einige Tage später können diese im Zuge der Registrierung bei der Anmeldebehörde (mit Termin) wieder abgegeben werden.
„Von hier aus werden die Dokumente an die entsprechenden Abteilungen und Behörden weiter geleitet“ erklärt uns der zuständige Sachbearbeiter Thomas Hirsekorn, der in dieser zentralisierten Vorgehensweise klare Vorteile sieht.
Gleichzeitig Dokumente und Anträge einreichen
Aufgrund verschiedener Vorgehensweisen bei unterschiedlichen Betroffenen und Helfern haben wir bei der Kreisverwaltung Alzey-Worms nach dem „korrekten Ablauf“ und der Bearbeitungsdauer angegfragt.
„Bei dem grundsätzlichen Prozedere zur Beantragung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz müssen verschiedene zeitliche Phasen beachtet werden.“ schreibt uns Anke Piepke von der Pressestelle der Kreisverwaltung. „Zu Beginn des Ukraine-Kriegs haben die Bundesbehörden zwei Voraussetzungen zur Beantragung benannt: Das eine war die Anmeldung beim zuständigen Einwohnermeldeamt, das zweite die Registrierung bei der Ausländerbehörde. In späteren Anweisungen wurde dann unter anderem die Registrierung bei der Ausländerbehörde als Voraussetzung relativiert, und zwar in der Form, dass diese „zeitnah“ erfolgen soll.
Es ist also inzwischen durchaus möglich, sich parallel um Termine bei den Einwohnermeldeämtern und der Ausländerbehörde zu bemühen und einen Antrag beim Sozialamt einzureichen. Der Erfassungsbogen sowie Unterlagen zum Antrag auf Asylbewerberleistungen stehen auf unserer Homepage zum Herunterladen zur Verfügung. Sie können Zuhause in aller Ruhe ausgefüllt werden.
Die Beantragung von Leistungen beim Sozialamt ist somit auch zunächst ohne die Anlaufbescheinigung möglich und kann parallel zur Übersendung des Erfassungsbogens an die Ausländerbehörde erfolgen. Die Anlaufbescheinigung kann beim Sozialamt später eingereicht werden.
Die Bearbeitungsdauer von vorliegenden Anträgen auf Sozialleistungen dauert aktuell etwa 14 Tage. Die Sozialabteilung bearbeitet zurzeit Anträge von Anfang April 2022″ so die Stimme aus der Kreisverwaltung.
Krankenhilfe umgehend möglich, auch ohne Antrag
„Was die Gewährung von Krankenhilfe nach dem Asylbewerberleistungsgesetz angeht, so umfasst diese zunächst die Behandlung bei unaufschiebbaren Maßnahmen und Schmerzen. Hier können sich ukrainisch Geflüchtete direkt an die Mitarbeiter*innen der Krankenhilfe (siehe auch Homepage: Frau Weil, Frau Reinig, Frau Hanf) wenden, auch ohne zuerst eine Anmeldung oder einen umfangreichen Antrag auf Asylbewerberleistungen auszufüllen. Sie erhalten dann umgehend einen Krankenschein zur Krankenbehandlung.
An die Geflüchteten, die uns „offiziell“ von der ADD zugewiesen wurden (vor einigen Wochen insgesamt 27 Personen), sind Vorschüsse gezahlt worden. Von diesen hatte die Sozialabteilung die Personendaten, sie waren schon in der Landeseinrichtung registriert und haben Leistungen erhalten. Somit kann von der Leistungsberechtigung ausgegangen werden.
Wir weisen außerdem darauf hin, dass eigenes Einkommen und Vermögen vorrangig vor dem Bezug von Sozialleistungen einzusetzen ist. Das bedeutet, wenn ukrainisch Geflüchtete Barmittel bei der Flucht mitgebracht haben oder mittels Geldkarte hier auf ihre Konten im Heimatland zugreifen können, sind Sozialleistungen erst einmal nachrangig zu gewähren.“
Zusammenarbeit mit anderen Behörden und Ämtern
„Der Landkreis Donnersberg hat in der Form ein anderes System: Die Bewilligung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sind dort unseres Wissens nach vom Landkreis teils auf die kreisangehörigen Verbandsgemeinden delegiert worden, so dass die Anmeldung bei der Einwohnermeldebehörde und die Beantragung von Sozialleistungen mancherorts in einem Haus gemacht werden können.“ schreibt uns Anke Piepke, auf unsere Anfrage ob und wie denn der Ablauf im Landkreis optimiert werden könne.
„Unseren Informationen zufolge müssen also die Ukraineflüchtlinge im Donnersbergkreis, nachdem sie bei der Verbandsgemeinde angemeldet wurden und ggf. Sozialhilfe beantragt haben, zur Ausländerbehörde der Kreisverwaltung in Kirchheimbolanden, um registriert zu werden und um die Aufenthaltserlaubnis zu beantragen. Das wären genauso zwei Häuser wie bei uns. Im Kreis Donnersberg wären dann die Meldebehörde und das Sozialamt zusammen und die Ausländerbehörde extra, im Landkreis Alzey-Worms sind das Sozialamt und die Ausländerbehörde unter einem Dach und die Meldebehörde extra.“
Tatsächlich haben wir jedoch eine Person im Donnersberkreis während eines kompletten Prozesses begleiten können, es wurde komplett alles auf der Verbandsgemeindeverwaltung erledigt, ein zusätzlicher Gang zur Kreisverwaltung war nicht nötig, die Dokumente wurden hier Behördenübergreifend von der Verbandsgemeindeverwaltung zur weiteren Bearbeitung an die Kreisverwaltung weiter geleitet.
Der Landkreis Alzey-Worms verfüge jedoch bereits seit einem Monat über eine PIK-Station zur Identifizierung von Geflüchteten, so die Pressestelle, womit bereits sehr vielen Geflüchteten ermöglicht wurde, sowohl die Registrierung (das PIKen) als auch die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis an einem gemeinsamen Termin zu erledigen. Von den bisher 840 im Landkreis gemeldeten Ukrainer/innen seien bis heute 380 bei der Ausländerbehörde registriert (gePIKt).
Auf unsere Anfrage, ob man eine weitere, behördenübergreifende Zusammenarbeit, also z.b. mit Stadtverwaltung oder Verbandsgemeindeverwaltung als zentraler Anlaufpunkt geplant sei, verweist man auf die zentrale Bedeutung der Kreisvewaltung: „Sowohl in den Jahren der großen Zuwanderung von Geflüchteten seit 2015 als auch jetzt erleben wir aus verschiedenen Gründen die Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zentral bei der Kreisverwaltung als großen Vorteil. So ist z.B. die Aufstockung von Personal und die einheitliche Bearbeitung einfacher zu gewährleisten. Auch die Wege zwischen Sozialabteilung und Ausländerbehörde, die beide beim Landkreis angesiedelt sind, sind kurz. Sehr viele Regelungen im Asylbewerberleistungsgesetz sind an ausländerrechtliche Regelungen nach dem Asylgesetz gebunden bzw. abhängig. Ebenso sind wir als Landkreis im Rahmen der gemeinsamen Einrichtung mit dem Jobcenter verbunden, was gerade im Hinblick auf den vom Bund beschlossenen Wechsel, wonach Geflüchtete ab Juni 2022 ins SGB II zum Jobcenter wechseln, ein großer Vorteil ist.“
Auf Übersetzung von Dokumenten kann teils verzichtet werden
„Das Problem mit der Übersetzung vor allem von Dokumenten in kyrillischer Schrift hat vor allem die Meldeämter bei den Verbandsgemeinden und Städten betroffen“ so die Kreisverwaltung.
Die Verbandsgemeinden und Städte wurden im Vergleich zu den Ausländerbehörden hier wohl erst später vom Innenministerium aufgefordert, auf beglaubigte Übersetzungen zu verzichten.
„Laut Rundschreiben des Integrationsministeriums sollen inzwischen einfache Übersetzungen akzeptiert werden. In diesem Zusammenhang steht die Kreisverwaltung den Meldeämtern unterstützend zur Seite. Zum Beispiel gibt es das Kooperationsprojekt DOOR, das der Kreis seit 2019 mit dem Weiterbildungsträger Arbeit und Leben in Mainz durchführt. Dabei handelt es sich um einen Pool an Laien-Dolmetschern, die nicht nur in Präsenz dolmetschen, sondern auch telefonisch zugeschaltet werden können.“