Berlin/Alzey (as) – Vor drei Jahren wurde die sogenannte „Neupatientenregelung“, noch unter dem damaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit dem „Terminservice- und Versorgungsgesetz“ eingeführt.
Mit der Neupatientenverfügung soll gewährleistet werden, dass auch Neupatienten zeitnah einen Termin bei Hausarzt oder Facharzt erhalten.
Die Regelung besagt, dass Leistungen an neuen Patientinnen und Patienten nicht aus einem gedeckelten Topf, sondern extrabudgetär bezahlt werden. Alle, die erstmals oder zuletzt vor über zwei Jahren in einer Praxis behandelt werden, gelten als Neupatienten. Es wurde demnach festgelegt, dass die Leistungen für die Behandlung von Patienten, die erstmals oder erstmals seit mehr als zwei Jahren in der jeweiligen Arztpraxis behandelt werden, in voller Höhe vergütet werden.
Eine Budgetierung fiel für diese Patientengruppe weg, um zusätzliche Anreize durch die hohe Patientenzahlen zu schaffen, auch neue Patienten aufzunehmen.
Honorar für geleistete Arbeit keine Selbstverständlichkeit
Was bei Handwerkern als Selbstverständlichkeit zählt, dass durchgeführte Arbeiten auch entsprechend zu zahlen sind, so ist dies im Gesundheitswesen aufgrund der Budgetierung leider nicht der Fall.
Bei dem Gedanken, dass die Gesundheit bzw. die Versorgung von Patienten unter solch´ einer Regelung leiden könne, dürfte sicher keinen in den Bereich der Verschwörungstheorien treiben, denn schon heute haben viele Patienten massiv Probleme einen Facharzttermin zu erhalten – Wartezeiten von mehreren Monaten sind mittlerweile keine Seltenheit mehr, dass Selbstheilungskräfte in dieser Zeit Wunder wirken ist hier wohl eher Wunschdenken.
Nun soll mit dem GKV-Finanzierungsstabilisierungsgesetz ab Januar 2023 diese Regelung wieder wegfallen, geht es nach dem neuen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Die Ärzteschaft ist alles andere als begeistert.
Die Bundesärztekammer zitiert unter dem Titel „Sparpläne gefährden die ambulante Versorgung“ PD Dr. med. Peter Bobbert, Präsident der Ärztekammer Berlin: „Durch eine Abschaffung der Neupatientenregelung werden sich die Wartezeiten für Neupatient:innen wieder erheblich erhöhen. Für mich wiegt es zudem schwer, dass uns Ärzt:innen durch die Streichung der extrabudgetierten Vergütung von Neupatient:innen letztlich wieder Zeit mit unseren Patient:innen genommen wird. Es ist nicht hinnehmbar, dass in Zeiten der Pandemie ambulant tätigen Ärzt:innen Gelder gestrichen werden, die für die Aufrechterhaltung ihrer Praxistätigkeit immens wichtig sind“
Das sagen Alzeyer Ärzte
Wie ist die Situation in Alzey? Wie beurteilt die Alzeyer Ärzteschaft die Situation? Wir haben nachgefragt
Dr. med. Ralf Schneider (Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin
Notfallmedizin in Alzey) „Der Wegfall der Neupatientenregelung ist für die Patienten eine Katastrophe, Facharzt Termine sind nun nur noch sehr sehr schlecht zu bekommen, und auch einen Hausarzt zu finden wird immer schwieriger. Schon jetzt ist die Situation nicht einfach. In einigen Fachgruppen (Rheumatologie, Kardiologie, Neurologie) ist es so, dass es zum Teil Monate dauert bis ein Patient einen Termin bekommt dies wird durch den Wegfall der neuen Patientenregelungen deutlich verschärft, da wahrscheinlich alle Fachärzte nun überhaupt keine neuen Patienten mehr aufnehmen. Die Neupatienten Regelung wurde vor drei Jahren im Rahmen des TSVG von Herrn Professor Lauterbach im Rahmen der großen Koalition eingebracht. Diese jetzt aus Sparzwängen zu streichen ist ein Schlag ins Gesicht der Patienten und der Ärzte.“
Klare Worte findet auch Holger Suffel (Facharzt für Allgemeinmedizin, Sportmedizin & Chirotherapie in Alzey): „Eine Streichung dieser Regelung ist nicht nur eine absolute Frechheit gegenüber der ambulant tätigen Ärzteschaft, es ist auch eine immer häufiger zu beobachtende Geringschätzung unserer täglichen Arbeit. Zur Erinnerung: Diese Neupatienten-Regelung beinhaltet eigentlich eine pure Selbstverständlichkeit: Ärzte erhalten für die Behandlung dieser Neupatienten das Ihnen zustehende Honorar ohne Kürzungen in voller Höhe. Bei Hunderten anderen Patienten einer jeden Praxis werden von der Politik Kürzungen einfach so vorgenommen und diese Kürzungen, also Honorarabschläge, sollen nun wieder für alle Patienten gelten.
Wir haben nun 3 Jahre Corona-Zeit hinter uns, in der die Arztpraxen mit immensem Mehraufwand die Hauptlast der Patientenversorgung und der Impfungen getragen haben. Nun kommt dazu die aktuelle Forderung der Krankenkassen nach einer Null-Runde für Praxen, parallel zu einer Inflationrate von 8% und horrenden Energiepreissteigerungen. Wie sollen wir Praxisärzte zukünftig unsere sowieso schon mit permanenten Überstunden und gegen Personalmangel kämpfenden MFAs bezahlen und den Praxisbetrieb uneingeschränkt aufrechterhalten?
Es ist ganz klar, wenn diese Bedingungen Wirklichkeit werden, wird es für die Patienten zu spürbaren Leistungseinschränkungen in der Versorgung kommen.
Geldmangel als Ursache für die Regelung? 400 Millionen € sollen so eingespart werden, gleichzeitig werden 300 Millionen € von der Politik an die Industrie gezahlt, damit von der Politik falsch geplante Konnektoren in allen Arztpraxen erneut ausgetauscht werden. Warum sollen wir als Praxisärzte und auch unsere Patienten die Rechnung für solch eine Fehlplanung bezahlen?“