Alzey (as) – Am 04.07.2023 berichteten wir, dass auf dem alten THW Gelände in Alzey bereits 80 Flüchtlinge auf dem dortigen “Container-Dorf” ihre Unterkunft bezogen. Die Reaktionen auf die Meldung waren eher skeptischer Natur, gerade auf unseren social-media Kanälen. “Um welche Flüchtlinge handelt es sich hier?” schrieb zum Beispiel ein Leser. Wir fragten daher bei der Kreisverwaltung Alzey-Worms an, ob dort auch sogenannte “unerlaubt aufhältige Personen”, (z.B. ausreisepflichtige, aber geduldete Personen), untergebracht wurden oder werden.

Ebenso fragten wir an, ob für diesen Personenkreis im Landkreis Alzey-Worms (falls noch keine darunter sind, jedoch noch kommen könnten) besondere Vorgaben bzw. Sicherheitsmaßnahmen gelten?

Antwort war überraschend und sorgte für Verwirrung

Die Antwort der Pressestelle auf unsere Anfrage am 04.07.2023 lautete: “Unerlaubt aufhältige Personen werden vom Landkreis weder dort noch anderweitig im Landkreis untergebracht. Solche Personen werden seitens der Ausländerbehörde des Landkreises ausgewiesen, die Ausreise  kontrolliert oder abgeschoben. Unter Umständen wird in Einzelfällen bis zur Durchführung der Abschiebung eine Unterbringung in Abschiebehaft erforderlich. Personen, die einen Asylantrag stellen wollen, werden an die Aufnahmeeinrichtungen des Landes weitergeleitet.”

Noch am Tag der Veröffentlichung unseres Artikels, meldeten sich zweifelnde Leser auf Facebook zu Wort “Die Bürger werden mal wieder verarscht” schreibt ein Leser, “Komisch, im Februar 2023 waren im Landkreis noch 370 ausreisepflichtige Personen untergebracht. Wo sind die hin? Abgeschoben ganz sicher nicht. Das ist glatt eine kleine Anfrage wert.” schrieb darunter auch die AfD Fraktionsvorsitzende im Kreistag Alzey-Worms, Sabine Capers.

Begriffsdefinition “unerlaubt aufhältige Person’

Das BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) schreibt unter anderem in ihrem Working Paper 93 “Unerlaubter Aufenthalt in Deutschland: Perspektiven, Maßnahmen und Herausforderungen” zu den rechtlichen Stellungen hierzu auf Seite 12 2.1.1: Unerlaubt aufhältige Personen, deren Aufenthaltsort den Behörden bekannt ist und die im Kontakt mit den Behörden stehen (unerlaubt aufhältige Personen mit Behördenkontakt): Diese Personengruppe umfasst u. a. Schutzsuchende, deren Asylantrag abgelehnt worden ist, sowie Personen, deren Aufenthaltserlaubnis abgelaufen oder widerrufen wurde, deren Abschiebung allerdings aus rechtlichen (z. B. Grundsatz der Nicht-Zurückführung, medizinische oder humanitäre Gründe) oder tatsächlichen Gründen (z. B. fehlende Mitwirkung der Ausreisepflichtigen, fehlende Reisedokumente usw.) auszusetzen ist. Die behördliche Aussetzung der Abschiebung wird im Gesetz als Duldung bezeichnet.”)

Quelle: BAMF

AfD Fraktion stellt Anfrage und erhält abweichende Zahlen

Bereits einen Tag nach Veröffentlichung unseres Artikels stellte daraufhin die AfD Fraktion eine Anfrage an Landrat Heiko Sippel (AF/02/2023) – (Anfrage und Antworten liegt der Redaktion vor).
Unter anderem wurde unter Frage 3 dort angefragt “Wieviele ausreisepflichtige Ausländer leben derzeit insgesamt im Landkreis-Worms und wie viele davon in einer der Unterkünfte des Landkreis Alzey-Worms”

Die Antwort vom 16.08.2023 sollte überraschen: “Derzeit sind 230 geduldete Personen im Landkreis mit Hauptwohnsitz gemeldet

Unterschiedliche Rechtsauffassung von Kreisverwaltung und BAMF?

Am gestrigen Montag, 21.08.2023 haben wir bei der Pressesprecherin des Landkreises Alzey-Worms, Frau Simone Stier angefragt, woher die unterschiedlichen Zahlen kommen, ob man uns hier gar falsche Zahlen lieferte, oder ob man so schnell neue unerlaubt aufhältige Personen zugewiesen bekam.

Bezogen auf die AfD-Anfrage der gemeldeten 230 ausreisepflichtigen Personen schrieb man uns hierzu: “Die sind geduldete Personen im Asylverfahren und keine unerlaubt aufhältigen Personen. Diese Personen wurden uns durch das Land zugewiesen!”
Offensichtlich gab es hier Unstimmigkeiten bei der Begriffsdefintion, wir versuchten daher aufzuklären und hakten nach, dass gemäß §60 a AufenthG die Duldung llediglich eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (meist nach einer Ablehnung eines Asylantrags) bedeutet. Eine geduldete Person bleibt jedoch weiterhin eine unerlaubt aufhältige Person, so schreibt es das BAMF und auch das Europäisches Migrationsnetzwerk (EMN) immer wieder.

Auch der Informationsverbund Asyl & Migration klärt über die Rechtslage von geduldeten Personen auf. Quelle: asyl.net

Um die Sache etwas zu beschleunigen, fragten wir auch nochmals telefonisch an, hier hieß es seitens der Kreisverwaltung, dass es sich bei den 230 Personen um Menschen im Asylverfahren handeln würde.
Menschen, die einen Asylantrag stellen und sich in einem Asylverfahren befinden, also Asylbewerber, benötigen jedoch gar keine Duldung nach §60a AufenthG, da ein Asylbewerber bis zur Klärung des Antrags nicht ausreisepflichtig ist, diesem wird gemäß § 55 AsylG zunächst eine Aufenthaltsgestattung erteilt.

Wichtig wäre eine korrekte Beurteilung und Unterscheidung von den bearbeitenden Ämtern schon, denn je nach Status variieren auch die entsprechenden Sozialleistungen.

Wir baten daher letzmalig nochmals schríftlich um eine Klärung der unterschiedlichen Zahlen und hofften eher, dass man sich auf eine missverstandene oder ungenaue Begriffsdefinition beruft.
Die kurze Antwort und die darin unterschiedlich geteilte rechtliche Auffassung gegenüber dem BAMF lies jedoch auch in unser Redaktion Verwirrung aufkommen:
“Geduldete Personen sind nicht unerlaubt hier.  Lesen Sie bitte noch mal die genaue Definition.”

BAMF widerspricht Kreisverwaltung: Geduldet = Unerlaubt aufhältig!

Wir haben uns mit dem Anliegen und zur Klärung direkt an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gewandt.
Die Antwort von Lioba Hebauer, Sprecherin des Bundesamts in Nürnberg lies keine Zweifel aufkommen und widerspricht damit der Auffassung der Kreisverwaltung in ihrem Schreiben wörtlich:

“Geduldete Personen gelten wegen des fehlenden gültigen Aufenthaltsstatus in Deutschland als unerlaubt aufhältige Personen.”

Aktuelle Zahlen im Landkreis

Auf Anfrage der AfD Fraktion Alzey-Worms befinden sich demnach, nach Angabe der Kreisverwaltung, derzeit 357 Personen im Asylverfahren.
230 Personen sind derzeit unerlaubt aufhältig im Landkreis Alzey-Worms (Geduldet).
Bis Juli 2023 gab es 12 Abschiebungen, davon 3 erfolgreich, 8 Personen reisten freiwillig aus (Zum Vergleich: Im Jahr 2022 waren es 9 Abschiebungen, davon 5 erfolgreich, 59 freiwillige Ausreisen)
110 Minderjährige Angehörige von Asylbewerbern, davon 60 Schulpflichtige leben im Landkreis Alzey-Worms.

Herkunftsländer der Asylbewerber:
91 Syrien
75 Afghanistan
40 Somalia
37 Türkei
32 Irak
20 Pakistan
19 Iran
8 Aserbeidschan
8 El Salvador
7 Ägypten
7 Nigeria
4 Tunesien
4 Sudan (ohne Südsudan)
3 Eritrea
2 Algerien
2 Armenien
2 Burkino Faso
2 Venezuela
2 ungeklärt
1 Russische Föderation
1 Malaysia